Der vom Bundeskabinett am 28.06.2016 beschlossene Entwurf zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll als größtes behindertenpolitisches Reformvorhaben dieser Legislaturperiode der Umsetzung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention dienen. Bei genauer Betrachtung wird der Vorschlag der vollmundigen Ankündigung nicht gerecht. Eingeordnet unter Sonstiges.
Bereits Ende 2016 sollen vorgeschaltete Regelungen in Kraft treten. Dabei soll das Recht der betrieblichen Schwerbehindertenvertretung im Sozialgesetzbuch IX ergänzt und geändert werden:
- § 95 Abs. 1 S. 4 wird wie folgt ersetzt: „In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann jeweils auch das mit der nächsthöheren Stimmzahl gewählte stellvertretende Mitglied herangezogen werden.“
Hiermit wird nun die bisher von der Rechtsprechung verweigerte weitere Heranziehung (einer dritten oder vierten Vertrauensperson) in größeren Betrieben mit mehr als 200 schwerbehinderten Beschäftigten in einer fortschreitenden Staffelung gesetzlich ermöglicht.
- Zu begrüßen ist, dass mit der Änderung § 96 Abs. 4 S. 2 der Schwellenwert für die vollständige Freistellung der Vertrauensperson von der beruflichen Tätigkeit von „200“ auf „100“ reduziert wird.
- § 96 Abs. 4 S. 4 wird erweitert, damit auch dem noch nicht herangezogenen stellvertretenden Mitglied unter den gleichen Voraussetzungen eine Schulungsteilnahme ermöglicht wird wie der Vertrauensperson selbst. Dies ist gerade im Hinblick auf die häufig nur aus einer Person bestehende Schwerbehindertenvertretung zu begrüßen, da der Vertretungsfall hier jederzeit eintreten kann und auch der Nachrücker über die notwendige Fachkunde verfügen muss.
- § 96 Abs. 8 wird um folgenden Satz ergänzt: „Satz 1 umfasst auch eine Bürokraft für die Schwerbehindertenvertretung in erforderlichem Umfang.“ Zwar wird hiermit eine Unterstützung der Vertrauensperson durch bessere personelle Ausstattung mit Hilfspersonal geboten, allerdings fehlt auch weiterhin eine Regelung, die der Schwerbehindertenvertretung ein Recht auf die Nutzung eigener Räume, Schränke und Kommunikationsgeräte einräumt. Dies wäre gerade mit Blick auf die besonders zu schützenden personenbezogenen Daten der Beschäftigten, die im Rahmen der Unterstützung bei Anträgen durch die Vertrauensperson erhoben und verarbeitet werden, notwendig.
Ein weiterer entscheidender Wermutstropfen verbleibt jedoch, da der Gesetzgeber keine Regelung zur effektiven Durchsetzung des Informations- und Anhörungsrechts der Schwerbehindertenvertretung schafft. So fehlt insbesondere die Klarstellung, dass Entscheidungen des Arbeitgebers zu personellen Maßnahmen, die schwerbehinderte Mitarbeiter betreffen und ohne Anhörung und Information der Schwerbehindertenvertretung beschlossen wurden, nichtig sind. Auch wäre eine weitergehende Stärkung der Rechtsstellung der betrieblichen Schwerbehindertenvertretung wünschenswert, um gerade der hohen Quote fehlender ordnungsgemäßen Beteiligung abzuhelfen.
Fazit: das Vorhaben geht in die richtige Richtung aber nicht weit genug.