Kündigungs- und Abberufungsschutz des Datenschutzbeauftragten LAG Nürnberg, Urteil v. 19.02.2020 - AZ: 2 Sa 274/19 Eingeordnet unter Kündigung, Sonstiges.
Mit Urteil vom 19.02.2020 (AZ: 2 Sa 274/19) hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg festgestellt, dass der Kündigungs- und Abberufungsschutz des internen Datenschutzbeauftragten nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nicht gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) verstößt und europarechtskonform ist. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die seit 15.01.2018 bei der Beklagten als Teamleiterin Recht beschäftigte Klägerin wurde mit Schreiben vom 15.01.2018 zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten bestellt. Mit weiteren, späteren Schreiben wurde die Klägerin auch zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Tochterunternehmen bestellt. Mit Schreiben vom 13.07.2018, vor Ablauf von 6 Monaten, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 15.08.2018. In demselben Schreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre bisherige Stellung als Datenschutzbeauftragte – vorsorglich auch im Auftrag der Tochterunternehmen – spätestens zum 15.08.2018 enden und hilfsweise aus wichtigem Grund widerrufen wird.
Die Klägerin erhob in der Folge Klage gegen die Kündigung und die Abberufung als Datenschutzbeauftragte. Sie begehrt unter anderem die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wie auch die Feststellung des Bestehens der Rechtsstellung als interne Datenschutzbeauftragte.
Das Arbeitsgericht Nürnberg gab der Klägerin schon in erster Instanz Recht. Es hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten nicht durch die Kündigung vom 13.07.2018 beendet wurde, und dass die Rechtsstellung der Klägerin als interne Datenschutzbeauftragte der Beklagten nicht durch den Widerruf der Beklagten vom 13.07.2018 beendet wurde. Gegen diese Entscheidung legten die Beklagten Berufung ein. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts nun erfreulicherweise bestätigt.
Demnach bestand für die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung der besondere Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG. Der Kündigungsschutz gelte dabei auch innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.
Nach § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG ist die Abberufung des Datenschutzbeauftragten nur in entsprechender Anwendung des § 626 BGB zulässig. Nach Satz 2 ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen.
Das Gericht wies mit seiner Entscheidung die Auffassung der Arbeitgeberin, dieser auf nationaler Ebene geregelte Kündigungs- und Abberufungsschutz verstoße gegen die europarechtliche Regelung nach Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO, zurück.
Das Landesarbeitsgericht folgte der Argumentation der Klägerin und legte dar, warum im nationalen Recht die spezifische arbeitsrechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten möglich ist. Nach der Vorschrift der DS-GVO darf der Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden. Zwar sei nach den Ausführungen des Gerichts davon auszugehen, dass die DS-GVO als EU-Verordnung unmittelbar und zwingend im Sinne einer Vollharmonisierung gelte und nicht lediglich Mindeststandards setze („Mindestharmonisierung“). Die nationalen Mitgliedsstaaten dürften von Vorgaben der DS-GVO nur insoweit abweichen, wie dies die Verordnung ausdrücklich oder durch Auslegung ermittelbar zulasse und im Übrigen die Vorgaben der DS-GVO lediglich konkretisiert werden.
Eine ausdrückliche Öffnungsklausel für den nationalen Gesetzgeber zur Regelung eines besonderen Kündigungsschutzes des Datenschutzbeauftragten finde sich in der DS-GVO zwar nicht, allerdings ergebe die Auslegung, dass die DS-GVO spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen für Datenschutzbeauftragte zulasse, soweit der Schutz nicht hinter der DS-GVO zurückbleibe.
Hierzu argumentiert das Landesarbeitsgericht mit den Kompetenzgrundlagen des europäischen Gesetzgebers und dem Wortlaut der DS-GVO selbst.
Des Weiteren hält das Landesarbeitsgericht fest, dass auch die Abberufung der Klägerin als interne Datenschutzbeauftragte eines wichtigen Grundes bedürfe und diese in § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG enthaltene nationale Regelung nicht gegen Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO verstoße.
Das Landesarbeitsgericht verweist hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 23.03.2011 – 10 AZR 652/09), wonach durch die Abberufung als interner Datenschutzbeauftragter auch das Arbeitsverhältnis geändert wird. Demnach handele es sich beim Abberufungsschutz eines internen Datenschutzbeauftragten um eine arbeitsrechtliche Regelung, die ergänzend zu den Vorgaben der DS-GVO auch im neuen BDSG beibehalten werden kann.
Schließlich hielt das Landesarbeitsgericht fest, dass ein wichtiger Grund zur Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte nicht darin liege, einen internen Datenschutzbeauftragten durch einen externen Datenschutzbeauftragten aus organisatorischen, finanziellen oder personalpolitischen Gründen zu ersetzen.
Da insbesondere die Frage, ob § 6 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 38 Abs. 2 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DS-GVO vereinbar ist, noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen.
Die Revision wurde beim Bundesarbeitsgericht am 16.04.2020 eingelegt und wird unter dem Aktenzeichen 2 AZR 225/20 geführt.
Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt oder sogar die Frage der Vereinbarkeit der Regelung des BDSG mit dem höherrangigen Europarecht dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorlegt.