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Will ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, kann er einen Aufhebungsvertrag abschließen oder kündigen, fristgerecht oder fristlos. Beim Ausspruch einer fristgerechten Kündigung will der Arbeitgeber die Kündigungsfrist einhalten, bei einer fristlosen Kündigung hingegen das Arbeitsverhältnis sofort beenden. Eine fristgerechte Kündigung wird daher auch als ordentliche, eine fristlose Kündigung auch als außerordentliche bezeichnet. Eine fristlose Kündigung spricht ein Arbeitgeber zumeist aus verhaltensbedingten Gründen aus, wenn eine schwerwiegende Pflichtverletzung etwa in Form eines Arbeitszeitbetrugs begangen wurde. Was aber, wenn eine Pflichtverletzung gar nicht vorliegt und eine fristgerechte Kündigung ausgeschlossen ist?
Den Ausschluss von ordentlichen Kündigungen sehen zahlreiche Tarifverträge vor. Nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der bayerischen Metall- und Elektroindustrie kann das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb seit mindestens 15 Jahren angehören, nur noch aus wichtigem Grund, also nur noch außerordentlich gekündigt werden. Ab dem 55. Lebensjahr reicht bereits eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren für den tariflichen Sonderkündigungsschutz aus. Ähnlich regelt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) den besonderen Kündigungsschutz: Ab dem 40. Lebensjahr ist bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren die ordentliche Kündigung ausgeschlossen.
Die tariflich ordentliche Unkündbarkeit stellt Arbeitgeber häufig vor Probleme, vor allem bei größeren Personalabbaumaßnahmen, wenn sie sich aus betriebsbedingten Gründen auch von älteren und langjährig Beschäftigten trennen wollen. Sofern der anwendbare Tarifvertrag bei Betriebsstilllegungen oder Teilbetriebsstilllegungen nicht ohnehin eine Ausnahme vom Sonderkündigungsschutz vorsieht, lässt das Bundesarbeitsgericht für solche Fälle eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist zu. Der Arbeitgeber kann also eine außerordentliche Kündigung aussprechen, allerdings nicht ohne Frist: Wie bei der ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber die reguläre Kündigungsfrist, die in diesem Sonderfall als soziale Auslauffrist bezeichnet wird, einhalten.
Um der Gefahr vorzubeugen, dass über diesen Weg der tarifliche Sonderkündigungsschutz ausgehöhlt wird, muss ein Arbeitgeber in solchen Fällen in besonderem Maße versuchen, die Kündigung zu vermeiden. Dies hat das Bundesarbeitsgericht nun betont (Urteil vom 27.06.2019 – 2 AZR 50/19). Sofern irgendeine Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, muss ein Arbeitgeber etwa durch eine Umorganisation geeignete Arbeitsverhältnisse frei machen und tariflich geschützte Arbeitnehmer/innen dort einsetzen, gegebenenfalls zu geänderten Arbeitsbedingungen. Wie bei einer ordentlichen Kündigung muss ein Arbeitgeber in diesen Fällen vor Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl vornehmen. Beides handhaben Arbeitgeber in der Praxis gerne anders, so dass sich betroffene Arbeitnehmer/innen häufig in einem Kündigungsschutzverfahren mit Erfolg auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz berufen können.
Andreas Bartelmeß ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Manske & Partner, Kanzlei für Arbeitsrecht, am Hauptsitz in Nürnberg und in der Zweigstelle in Ansbach, www.manske-partner.de
Seit Mai 2011 verstärkt er unser Anwalts-Team und unterstützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Betriebsräte dabei, ihre Rechte durchzusetzen.