EuGH, Entscheidung vom 15.07.2021, Az. C-341/19 Eingeordnet unter Sonstiges.
In dem von der Kanzlei Manske & Partner geführten Verfahren zur Frage, ob das Tragen eines Kopftuchs bei der Arbeit durch den Arbeitgeber untersagt werden kann, hat am 15.07.2021 der EuGH (Az. C-341/19) entschieden und die Rechte der Beschäftigten gestärkt.
Die große Kammer des EuGH hielt dabei fest, dass es zwar als rechtmäßiges Ziel eines Unternehmens angesehen werden kann, im Verhältnis zu seinen Kunden eine Politik der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Neutralität zu verfolgen. Der bloße Wille des Arbeitgebers, dies zu tun, reicht allerdings hierfür nicht aus. Vielmehr muss ein wirkliches Bedürfnis des Arbeitgebers für eine solche Neutralitätspolitik vorliegen. Es ist zu klären, ob also bspw. berechtigte Kundenerwartungen zu einem neutralen Auftreten vorliegen. Zudem wäre zu fragen, ob ohne die Wahrung der Neutralität, die unternehmerische Freiheit beeinträchtigt werden würde, weil der Arbeitgeber nachteilige Konsequenzen zu tragen hat. Der EuGH konkretisiert damit seine bisherige Kopftuchrechtsprechung aus dem Jahr 2017 zugunsten der Beschäftigten.
Zudem verdeutlicht die Entscheidung, dass auch die Abwägung zwischen der unternehmerischen Freiheit und der Gedanken-, Weltanschauungs- und Religionsfreiheit nicht allein auf europäischer Ebene stattfindet. Sehr wohl dürfen nämlich auch nationale Regelungen, also etwa das Verfassungsrecht, höhere Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlung aufgrund der Religion oder Weltanschauung knüpfen. Solche günstigeren Bestimmungen sind von den Mitgliedstaaten und deren Gerichten weiterhin anzuwenden.
Untersagt der Arbeitgeber zudem nur das Tragen auffälliger und großflächiger Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen, kann dies als unmittelbare Diskriminierung gegenüber besonders hiervon Betroffenen angesehen werden. Der Arbeitgeber wäre deswegen also dazu angehalten, jegliches sichtbare Tragen solcher Zeichen oder Symbole zu untersagen, neben dem Kopftuch also bspw. auch das Kreuz oder die Kippa, um eine „echte“ und unterschiedslose Neutralitätspolitik zu verfolgen.
Bezüglich der aktuellen Entscheidung verweisen wir zudem auf die Pressemitteilung von BR24 bzw. die News in JUVE.